Gedanken zum röm.-kath. Friedhof - Am Strößel in Bielitz

Wenn man das Datum der ersten Begräbnisse als den Beginn des Funktionierens dieses Friedhofs annehmen will, muß man feststellen, daß die Geschichte von Beerdigungen der Verstorbenen auf dem römischkatholischen Friedhof in Bielitz am 3.6.1884 begann.

Bis dahin war der Friedhof auf dem Fleischmarkt vor der St. Nikolaus-Kirche. Wegen Platzmangel und verschärfter sanitärer Vorschriften konnte der Friedhof seine Rolle nicht länger erfüllen. Den neuen Friedhof legte man entfernt außerhalb der geschlossenen Stadtbebauung an, und mit vier Hektar Oberfläche erfüllte er diese Kriterien. Er wurde in vier Klassen eingeteilt, für Erwachsene und drei für Kinder. Es wurde hauptsächlich nach der Lage des Grabes und zugleich nach der Höhe der erhobenen Grabgebühren sowie nach der Dauer für die Grabstellen unterschieden.

Am 3.6.1884 gab es 2 Begräbnisse – Anna Cielicz, verst. im 56. Jahr und beerdigt in der 3. Klasse (Erwachsene) sowie der 14 Wochen alte Franz Wieja, beerdigt in der 3. Kl.(Kinder). Am 15.6.1884 wurde der 14-jährige Josef Buzza (Klasse II Kinder) begraben. Am 29.7.1884 war das Begräbnis der 20jährigen Ana Dziesch (Kl. II Erwachsene), am 10.8. 1884 des 22 Jahre alten Chemikers Viktor Berthold (Familiengrab) und am 11.12.1884 der 18jährigen Maria Twerdy (Klasse I). Ab den Begräbnissen dieser Personen gab man den nachfolgenden Gräbern aufsteigende Nummern bis der Sektor vollständig war. Die Särge der damals Beerdigten waren zu jener Zeit nur aus Metall. Sie waren aus profiliertem und später aus bemaltem verzinktem Blech mit hölzernem, versteiftem Boden. Särge von großen Herstellern trugen eine Seriennummer mit Angabe der Länge in cm und oft ein Täfelchen mit dem Namen der darin beerdigten Person. Die Täfelchen waren am Sargdeckel befestigt oder an einen der „Herzkranz-„ Griffe mit Draht angebunden. Sehr oft hatte der Sargdeckel besondere Griffe, die das Öffnen und Schließen des Sarges erleichterten. Die Särge von bedeutenden Personen hatten ein Kreuz nahe bei den „Füßen“ und in Gesichtsnähe des Verstorbenen ein verglastes Guckloch. Von 1884 – 1890 wurden 1186 Personen, 533 Erwachsene und 653 Kinder gegraben. 1903 und 1950 waren es mehr Kinder, entsprechend 124 und 171 und im Laufe der letzten 10 Jahre (1999-2009) wurden 12 Kinder beerdigt. Im Ablauf der Zeit und bei mehrmaliger Nutzung vieler Begräbnisstellen wurde eine neue Einteilung der Sektoren vorgenommen. Und da man versuchte Ungenauigkeiten und Fehler bei der Registrierung im Kriege und danach zu klären, teilte man 1951 ein weiteres Mal die Sektoren auf und eine neue Nummerierung wurde eingeführt.

Im Krieg 1939 – 1945 und einige Jahre danach gab es Beerdigungen, die mit wenigen Ausnahmen nicht dokumentiert wurden. Hauptsächlich führte die sich nähernde Front und die Panik unter denjenigen, die nicht aus Bielitz fliehen konnten und das Eindringen der Roten Armee befürchteten, zu vielen Selbstmorden und zur Notwendigkeit von Beerdigungen. Die Gräber von Sowjetsoldaten auf dem Friedhofgelände und ihre späteren Exhumierungen sind in den damaligen Begräbnisberichten nicht erfasst.

Heute ist es nicht möglich, die Lage dieser Gräber, ihre Anzahl und die Gewissheit der Exhumierung endgültig zu bestimmen, Das Amt für Öffentliche Sicherheit in Bielitz führte auch geheime Beerdigungen durch. (Nach 2007 wurde ein solches Grab im unteren Teil des Friedhofs mit einem Grabstein und der Gedenktafel für fünf verstorbene Personen überbaut).

Beharrliches Suchen nach freien Plätzen führte dazu, daß viele Reihen von Umgrenzungen einzelner Sektoren oder Durchgänge und Wege liquidiert wurden, Unwiderruflich gingen die kleinen Alleen verloren mit Namen wie\"klonowa\", \"grabowa\", \"akacjowa\" oder andere, wie auch \"żywopłotowe\" die Umgrenzungen von Gräbern in der I. Klasse. Es verschwanden für immer Bezeichnungen von Gräbern wie \"obok lipek\", \"brzoza\", \"płot\". Seit vielen Jahren sind auch äußere Bezeichnungen der Gräber nicht mehr vorgeschrieben.

Beim Kauf eines Grabplatzes erhielt der Bezahler ein Täfelchen mit der Nummer der Grabstelle und später auch mit dem Sektor. Die Tafeln waren aus Gusseisen und hatten zwei Füßchen zum Einstecken in die Stelle, die das Grab bezeichnete. In den späteren Jahren verwendete man statt der eisernen emaillierte Täfelchen, die aber sehr rostempfindlich waren. Jetzt ist die vorgeschriebene Bezeichnung der Grabstelle die Anbringung von Vornamen und Familienamen sowie Geburts- und Todestag der Person am Grabmal.

Es gibt viele Gräber, die obwohl äußerlich bescheiden, eine Lebensgeschichte enthalten, die in sich den Plan für einen interessanten Film enthalten. Das Ausmaß der Grabstelle ist nur der Flecken der Beerdigung des Toten. Er wird aber gleichzeitig ein großes Massengrab und der Ort, wo die vergangene Zeit eingeprägt ist in diesem für die Verstorbenen abgetrennten Stückchen. Es ruhen dort an oftmals schwer zu bestimmenden Punkten u.a. Baron Klobus (es folgen viele polnische Namen, darunter Alfred Michl, Eugen Frankl, Heinrich Kubitza, Anton Kobiela, Johann Wiesner, Julius Hoffmann, Klemens Matusiak, Jan Folta, Karl Kasperlik) Es ist nicht möglich, alle aufzuzählen.

Es genügt, zu den Erwähnten ein Stückchen ihrer Lebensbeschreibung hinzuzufügen, um klarzuwerden, in welch großen Ozean man eintritt. Die Namen und Vornamen, auch ergänzt
um Beruf, Ereignis oder Foto, zeigen schon ein ganz anderes Bild als das, mit welchem das Grau und die fürchterliche Verkürzung aus den Grabmalen spricht – (es folgen viele Namen und Schicksale und Berufe der Begrabenen), so z.B.: … einer von den Aktionären der „Bielsko-Bialska Spolka Kolej Zelazna“,… Student- Zwangsarbeiter bei den Bahngleisen zum Lager in Sobibor und Zeuge der Tragödie,… Chirurg – Dir, des Spitals,,,, Lehrer – Autor – Dichter ….persönlicher Kellner von Josef Pilsudski … Das sind nur einige Worte zusätzlich zu den Vornamen und Namen. Man begrub hier auch Fabrikanten, Apotheker, Sportler, Soldaten, Gemüsehändler, Kinovorführer, Bergleute, Haushälterinnen, Bauarbeiter vom neuen Kirchturm, und Namenlose nach dem Krieg. Die einzige Lebensbeschreibung über sie ist die Angabe des Ortes, wo man die Überreste gefunden hat. Und Anmerkungen NN. Kann man die alle benennen, die beim trauriger Musik begraben wurden oder begleitet von schweigenden Trinkkumpanen? Jene, die im Schmerz mit dem Schrei „warum“ begleitet wurden. Jene, die zu Lebzeiten sich mit den lebenden Nahverwandten an ihrem Grabe einige Tage nach ihrem Tod treffen wollten? Es ruhen hier Opfer von Mißgunst, eigener Dummheit und verdammtem Pech, Opfer nie erfahrener Liebe des Sohnes, der Tochter und jene, die weggingen, warm umarmt in grenzenloser, bedingungsloser Liebe der Familie, noch hörend die beruhigenden Worte „jetzt kannst du, Mutti“. Es ruhen auch namenlose Soldaten, Terroropfer, Henker von Kollaborateuren und jene, deren letzter Anblick im Leben ihr Exekutor war. Es ruhen hier Kinder, die man ihren Eltern entrissen hat. Jene, die jahrelang mit ihrer Krankheit gekämpft haben und jene, die es aufgegeben haben zu kämpfen. So viele Gräber, so viele Lebensbeschreibungen. Manchmal waren sie in abwechslungsreiche und auch in stürmische Zeit eingeflochten, manchmal in eine graue aber immer auch in eine andere Zeit.
Die Zeiten schöpferischer Fantasie, nicht schablonenhafter Differenzierung des Aussehens von Grabmalen sind auch vorbei. Sogar im unteren Teil des Friedhofes wurden Denkmale aufgestellt, an denen sich nicht nur der Steinmetz, sondern auch der Bildhauer viel abarbeiten mußte, wenn er nicht die modernsten Steinmetzmaschinen besaß. Und auch der Meister, der dem Steinklotz in mühevoller Arbeit ein noch nach zig Jahren entzückendes Aussehen verlieh. Oft tritt hier auch das Motiv eines hohen Marmorobelisken gekrönt mit dem Kreuz und mit eingebranntem Christus- oder Muttergottesbild auf. Das ist aber nur noch in einigen zig Exemplaren erhalten geblieben. Die Arkaden sind nur noch einer der letzten Orte, wo man Spuren nicht nur der entfliehenden Zeit, aber auch die Pracht und großartige Gestaltung von damaligen Grabmalen beobachten kann. Vorbei ist die Zeit der eisernen Kreuze aus vielen Elementen gestaltet, der großen Fotografien an Grabmalen und der Bildnisse aus Porzellan oder Messing, die am Grabmal befestigt wurden. Sie haben verspielt mit der Barbarei, der Dummheit, der „Modernität“ und der Ideologie. Mögen sie aber am längsten erhalten bleiben, als Grabdenkmale und Aufzeichnung der Geschichte Polens :– die Soldaten der Legionen und jene, die einmal ruhmvoll waren mit „ihren“ Straßen und Arbeitsstellen. Heute werden sie anders eingeschätzt im Zusammenhang mit der Wirklichkeit der Nachkriegszeit. Man kann nur noch auf alten Bildern „traurig“ geputzte Pferde betrachten, die einen verglasten, geschmückten und mit Schnitzwerk verzierten Leichenwagen ziehen. Übrigens waren damals sogar Leichenzüge mehr oder weniger ansehnlich, was von den Kosten der Dienstleistung und der Klassifizierung des Begräbnisses in I, II, oder III. Klasse abhing.
Jetzt befindet sich auf dem Friedhof ein Haus (Nr. 28), das hauptsächlich als Verwaltung und Magazin dient. Im südwestlichen Teil ist die Kapelle. Vom seinerzeitigen Wirtschafts-gebäude (der Totengräber) unter Nr. 30, blieb nichts mehr übrig als nur manchmal in diesem Trakt angetroffene Fundamentenreste. Es gibt auch nicht mehr die beiden Treibhäuser, Aufsicht, Blumengarten oder Gemüsegarten. Der Brand am 26. März 1953 vernichtete sehr stark diese Objekte und ein Wiederaufbau übertraf die finanziellen Möglichkeiten des Friedhofeigentümers. Es wurden auch nicht die Familiengräber (Gruften) im oberen Friedhofteil an der anderen Seite des Gebäudes bei der ul. Wita Stwosza (Veit Stoß) ausgebaut. Es wurde dagegen das Kreuz gegenüber dem Eingang vom Strößel wieder errichtet. Es war 1945 durch ein vom Kampfeinsatz zurück gekehrtes Flugzeug vernichtet worden, das seine Bombenlast über dem Friedhof loswerden wollte.

Es wurden auch viele Gräber zerstört. In jenem Jahr wurden dreimal auch fast alle Gräber geöffnet und die Särge aufgebrochen und geplündert. Die Vorfälle von Vandalismus, Schändung und Raub kamen leider vielfach vor, und auch die jetzigen Zeiten sind nicht frei davon. Der weit von der Stadt entfernt angelegte Friedhof ist heutzutage ein Stadtteil im Stadtzentrum.

Aus Portal BESKIDIA.PL Vorbereitung: gajetanoR

Übersetzt: Alois Kremsa (Bielitz) Braunschweig März 2010

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